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Die Scheune der Erinnerung

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem Bild der „Scheune der Erinnerung“, das von Viktor Frankl inspiriert ist, bin ich vor einigen Tagen in Berührung gekommen. Bei einer Fortbildung erhielt ich – genau wie die anderen Teilnehmenden –die Aufforderung: „Geh einmal in die Scheune deiner Erinnerungen. Schau dir an, was du dort alles aufbewahrt. Was für dein Leben wichtig war und ist.“ Neben vielem Schönen habe ich nätürlich  auch Schmerzhaftes entdeckt.

Da es bei Fortbildung um Werte und Haltung ging, wurde das Augenmerk in dieser „Scheunen-Übung“ allerdings auf die positiven Erinnerungen gelegt. Ich sollte für mich herausfinden, in welcher Situation ich mich besonders wohl gefühlt habe. Wo ich mich mitten in meiner Kraft angekommen bin. Was mir gutgetan und was mich gestärkt hat.

Sofort stellte sich ein Bild vor meinem inneren Auge ein. Öffentlich hätte ich nicht davon erzählen wollen. Aber für mich selbst konnte ich diesen Moment gut benennen. Er ist mir sehr präsent, obwohl der Augenblick schon 15 Jahre zurückliegt. Dank dieser Übung wurde mir bewusst, dass ich immer wieder einmal innerlich in diesem Moment zurückkehre, weil meine Welt da ganz heil ist.

Mit dieser Erinnerung in meinem Herzen sollte ich nun, das war meine nächste Aufgabe, herausfinden, wie ich in meiner Gegenwart und Zukunft leben könnte, damit ich an dieser Kraftquelle andocken kann.

Zuerst dachte ich: „Das geht doch gar nicht! Das war doch eine besondere Situation!“

Aber genau um diesen Punkt ging es. Ich sollte herausfinden, was das Besondere war. Wie war es möglich, dass ich mich so leicht fühlen konnte?

Beim Überlegen stellte ich fest: Ich hatte eine große Prüfungsaufgabe gemeistert. Ich war voller Freude über den Erfolg. Ich war offen für Gott und die Welt.

ABER STOP! Um dieses wunderbare Gefühl der Leichtigkeit wieder zu erleben, würde ich jetzt bestimmt nicht in eine Prüfung nach der anderen stürzen.

Da müsste ich schon eine andere Lösung finden, um meine Scheunenerinnerung nutzbar zu machen. Für mich - so merkte ich - heißt das: Wenn ich eine Aufgabe bewältigt habe, wenn mir etwas gelingt, dann möchte ich mir zukünftig die Zeit nehmen, dass auch wirklich zu genießen. Ich will das feiern. Ich möchte würdigen und wertschätzen, was mir mit Gottes Hilfe gelungen ist.

Im Alltag habe ich mein Leben leider so organisiert, dass ich von einer Aufgabe zur anderen hetze. Dass ich mir kaum den Genuss gönne, etwas erledigt oder geschafft zu haben. Denn mit meinen Gedanken und Kräften stecke ich längst schon wieder in der nächsten Aufgabe.

Wie gut, dass Gott mir die Scheuenaufgabe in den Weg gestellt hat. Endlich spüre ich, was in meinem Zeitmanagement anders werden darf.

Ich will Ruhe- und Zeitinseln einbauen. Ich möchte das Leben, Erreichtes und die Menschen um mich herum immer wieder bewusst genießen und wertschätzen.

Vielleicht, liebe Leserinnen und Leser, haben Sie auch Lust, einen kleinen Gang in die Scheune Ihrer Erinnerungen zu machen. Spüren Sie dem nach dem, was ihnen Kraft gibt!

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Suchen und Finden.

 

Pfarrerin Gaby Bach

 

 

Ins Bunte getroffen

Ein Wanderer kam auf seinem Weg in ein Dorf. Dort machte er Rast und stärkte sich.

Er schlenderte durch den Ort, und dabei fiel ihm auf, dass auf manchen Mauern, Holzzäunen und Bäumen Zielscheiben aufgemalt waren, schöne konzentrische Kreise, und genau in deren Mitte hatte eindeutig immer ein Pfeil getroffen.

Ihm war klar: Hier in diesem Dorf musste ein Meister des Bogenschießens leben.

Der Wanderer traff eine einheimische Frau und fragte sie, wer denn wohl der tolle Schütze sei.

Sie zeigte auf ein Kind, das gerade mit anderen spielte. Das war der große Schütze?

Der Wanderer ging zu dem Kind und sprach es an: "Du bist der Bogenschütze, der hier überall genau die Mitte der Zielscheibe getroffen hat?" 

- "Ja" - "

"Ich bin sprachlos; wie schaffst du das, immer genau in die Mitte zu treffen? Das ist eine Meisterleistung!"

Da antwortete das Kind: "Das ist babyleicht. Ich schieße erst und male dann die bunten Kreise!"

 

aus: Hoppla! Andere Zeiten e.V. Hamburg

Das Geschenk

Auf einer der größeren Inseln vor der Küste lebte ein Schüler, der seiner Lehrerin eine ganz besonders geformte Muschel schenkte.

Sie dankte ihm erfreut und bemerkte: "Ich habe noch nie eine so wunderbare Muschel gesehen,sie ist ganz außergewöhnlich schön!

Wo hast du sie denn gefunden?"

Der Schüler erzählte ihr von einer versteckten Stelle am anderen Ende der Insel und dass dort hin und wieder solch eine Muschel angeschwemmt

werden würde."

Ich danke dir nochmals von Herzen. Aber du hättest doch keinen so weiten Weg machen sollen, nur um mir etwas zu schenken."

Darauf der Schüler:" Aber der weite Weg ist doch ein Teil des Geschenkes."

 

aus: Andere Zeiten Heft 3/2021, Andere Zeiten e.V. Hamburg

 

Christliche Seefahrt

Auf hoher See peilt ein Seekadett die Sonne mit dem Sextanten an und meldet dann dem Kapitän die Position des Schiffes.

 

Der nimmt ehrerbietig die Mütze ab und murmelt ein Gebet.

 

Der Kadett staunt: „Muss man in der Marine beten, wenn die Position bestimmt ist?“

 

„Normalerweise nicht,“, sagt der Kapitän, „aber nach Ihrer Berechnung befinden wir uns direkt unter dem Kölner Dom.“

 

 

Aus: Andere Zeiten 2/2014

Der Sorgenbaum

Einst, als das Wetter schlecht und die Ernte missraten war, litt ein kleines Dorf besonders unter der Not. Die Stimmung war gedrückt, und jedem Bewohner  schien es, als leide er am meisten unter der Situation.

Schließlich befragten die Dorfältesten einen Einsiedler in einer nahegelegenen Klause, wie sie aus der allgemeinen Niedergeschlagenheit herauskommen könnten.

Der Weise antwortete: „Wenn denn jeder meint, das Schicksal habe ihm die schwerste Last auferlegt, dann soll jeder seine Sorgen und Nöte zu einem Paket schnüren und es an die alte Linde in der Mitte des Dorfes hängen. Er darf sich dafür das Päckchen eines anderen nehmen.“

Gesagt, getan.

Jeder hängte seine Sorgen an den Baum und nahm sich ein anderes Päckchen. Doch wie überrascht waren alle, als sie die fremden Pakete zu Hause öffneten und feststellten, dass die Sorgen darin so viel größer waren als die Eigenen! Und so eilte jeder leise zu dem Baum zurück, hängte das fremde Päckchen an einen Ast, suchte sich sein eigenes und ging zufrieden nach Hause.

 

Aus: Andere Zeiten 3/2012

LEICHT VERSCHÄTZT

Als ich zum ersten Mal im Wartezimmer meines neuen Zahnarztes saß, sah ich auf einer Urkunde an der Wand seinen vollständigen Namen.
Ich erinnerte mich, dass ein schlanker, fleißiger Junge gleichen Namens vor gut 30 Jahren in meiner Klasse war.

 

Doch als ich den Arzt sah, verwarf ich den Gedanken. Dieser glatzköpfige, weißbärtige Mann mit den tiefen Falten war viel zu alt, um in meiner Klasse gewesen zu sein.

 

Nachdem er meine Zähne untersucht hatte, fragte ich ihn trotzdem, ob er das örtliche Gymnasium besucht hätte.

„Ja“, antwortete er.

 „Wann haben Sie Abi gemacht?“

„1972, warum?“

„Sie waren in meiner Klasse“, antwortete ich.

 

Er betrachtete mich aufmerksam und fragte dann: „Was haben Sie unterrichtet?“

 

Aus: Andere Zeiten 2/2011

Umwerfend

Onkel Tom hatte ein schwaches Herz, und der Arzt hatte ihn ermahnt, sehr vorsichtig zu sein.

 

Als also die Familie erfuhr, er habe von einem verstorbenen Verwandten eine Milliarde Dollar geerbt, zögerte man, ihm die Nachricht zu überbringen, aus Furcht, er könnte dadurch einen Herzanfall bekommen.

 

Sie wandten sich um Hilfe an den örtlichen Pastor, der ihnen versicherte, er würde einen Weg finden.

 

„Sagen Sie, Tom“, wandte sich Father Murphy an den Mann mit dem schwachen Herzen, „wenn Gott ihnen in seiner Gnade eine Milliarde Dollar zukommen ließe, was würden Sie damit anfangen?“

 

Tom dachte einen Augenblick nach und sagte dann, ohne zu zögern: „Ich würde Ihnen die Hälfte für Ihre Kirche geben, Father.“

 

Als Father Murphy das hörte, bekam er einen Herzanfall.

 

 

Anthony de Mello in Andere Zeiten 1/2011

Gesunder Menschenverstand

 

Ein Physikstudent musste in einer Prüfung folgende Aufgabe bearbeiten: „Beschreiben Sie, wie man die Höhe eines Wolkenkratzers mit einem Barometer feststellt.“

Er schrieb: „Sie binden eine Schnur an das Barometer und senken es vom Dach des Wolkenkratzers zum Boden. Die Länge der Schnur plus die Länge des Barometers entspricht der Höhe des Gebäudes.“

Der Prüfer verstand keinen Spaß und ließ den Studenten mündlich nachprüfen.

Als der Student hereingerufen wurde, sagte er: „Wie so oft im Leben gibt es verschiedene Wege, um zu einem Ergebnis zu kommen. Einen Weg habe ich Ihnen genannt. Wünschen Sie aber eine langweilige und orthodoxe Lösung, dann können Sie selbstverständlich das Barometer benutzen, um den Luftdruck auf dem Dach des Wolkenkratzers und auf dem Grund zu messen. Sie können dann mit der biometrischen Höhenformel die Höhe des Gebäudes berechnen.

Aber da wir ständig aufgefordert werden, unseren eigenen Verstand zu üben und originelle Methoden anzuwenden, habe ich mir inzwischen eine noch bessere Lösung überlegt: Am einfachsten wäre es vermutlich, an die Tür des Hausmeisters zu klopfen und ihm zu sagen: „Ich schenke Ihnen ein Barometer – vorausgesetzt, Sie verraten mir die Höhe dieses Wolkenkratzers.“

 

Aus: Andere Zeiten 2/2013

Ertappt!

Vor kurzem hat mich eine Freundin zu einem Sommerfest mitgenommen. Mitten im Garten stand ein prächtiger Rosenstrauch.

 

Ich lobte die Gastgeberin für ihren „grünen Daumen“, und sie erzählte mir folgende Geschichte:

 

„Vor Jahren war unsere Ehe durch Gewöhnung und Langeweile ernsthaft in Gefahr geraten. Damals hat mein Mann mir diese Rose gepflanzt,

und wir verabredeten, dass wir uns scheiden lassen würden, wenn sie einginge.

Würde sie aber wachsen, würden wir zusammenbleiben. Und wissen Sie, was passierte?

 


Wir ertappten einander dabei, wie wir heimlich Wasser zu dem Strauch schleppten.“

 

Aus: Andere Zeiten 2/2012

Glaubwürdig

Ein Mann kam zu Nasreddin, um sich einen Esel von ihm zu borgen.

„Sehr gerne“, sagte Nasreddin „aber heute ist mein Esel nicht da!“.

In diesem Augenblick schreit der Esel hinter dem Haus: „I-aaah“.

„Warum lügst du? Dein Esel ist doch zu Hause!“ fragte ihn der Mann.

„Was ist los? Wem glaubst du mehr, mir oder einem Esel?“ antwortete Nasreddin.

 

aus dem Magazin zum Kirchenjahr: Andere Zeiten

Was wiegt eine Schneeflocke?

In einer Fabel wird erzählt: „Sag mir, was wiegt eine Schneeflocke ?“ fragte der rote Vogel  die Taube. „Nicht mehr als nichts“, gab sie zur Antwort. „Dann muss ich dir eine wunderbare Geschichte erzählen“, sagte der rote Vogel.

„Ich saß auf dem Ast einer Fichte, dicht am Stamm, als es zu schneien anfing; nicht etwa heftig im Sturmgebraus, nein, wie im Traum, lautlos und ohne Schwere. Da nichts Besseres zu tun war, zählte ich die Schneeflocken, die auf die Zweige und auf die Nadeln des Astes fielen und darauf hängen blieben. Genau dreimillionensiebenhunderteinundvierzigtausendneunhundertzweiundfünfzig waren es. Als die dreimillionensiebenhunderteinundvierzigtausendneunhundertdreiundfünfzigste Flocke niederfiel – nicht mehr als nichts – brach der Ast ab.“

 Damit flog der rote Vogel davon. Die Taube, seit Noahs Zeiten eine Spezialistin in dieser Frage, sagte leise zu sich nach kurzem Nachdenken: „Vielleicht fehlt nur eines einzelnen Menschen Stimme zum Frieden der Welt!“

 

aus dem Magazin zum Kirchenjahr: Andere Zeiten

Komm

Als ich aus dem Haus gehen will, steht der Advent vor der Tür, sodass ich beinahe stolpere.

„Ist es schon soweit?“, frage ich und fürchte, dass ich ihn nun hereinbitten muss. Aber ich habe es eilig.
Der Advent kommt aus einer Zeit, da war Eile noch keine Maxime und Organizer gab es auch nicht. Ich drücke mich entschuldigend an ihm vorbei, aber er stellt mir ein Bein und ich fliege auf die Nase.

„Das ist nicht nett!“, rufe ich. Er lächelt sanftmütig. Ich rappele mich auf. Erwachsene, die am Boden liegen, sehen immer irgendwie albern aus. „Wir haben ein Date“, sagt er und lässt ein paar Goldsterne über mich regnen. „Einmal im Jahr, erinnerst du dich?“ Natürlich erinnere ich mich. Nur das gerade doch noch Sommer war. Der Schal kratzt. Ich bin noch nicht bereit für Apfel, Nuss und Mandelkern.

Ich bin noch nicht bereit für den Advent. „Ich habe nichts vorbereitet. Nicht mal einen Adventskranz habe ich. ,Last Christmas´ hängt mir jetzt schon zu den Ohren raus. Genauso wie das Wort Besinnlichkeit!“ Er legt seine Finger auf meine Lippen und stoppt meinen Redefluss.

„Komm“, sagt er. „Für mich brauchst du nichts vorzubereiten. Ich bereit dich vor.“ Und dann nimmt er mich an die Hand und führt mich in eine andere Zeit.

 

Text von Susanne Niemeyer

Offensichtlich

Zu einem Weisen kam einer und klagte: Ich suche nun so viele Jahre nach Gott und kann ihn nicht finden.

Der Weise sah ihn freundlich an und erzählte:

Es war einmal ein Mann namens Nasruddin. Er ging immer hin und her über die Grenze, an verschiedenen Zollstellen, einmal mit einem Esel, einmal auch mit zweien oder dreien. Auf den Eseln transportierte er große Lasten Stroh. Die Zöllner wussten, dass er ein bekannter Schmuggler war, und so durchsuchten sie ihn immer wieder, stachen mit Stöcken in die Strohballen, und manchmal verbrannten sie das Stroh und suchten in der Asche nach dem, was er schmuggelte. Aber sie fanden nichts, und Nasruddin wurde reicher und reicher.


Schließlich wurde er alt, zog in ein anderes Land und setzte sich zur Ruhe. Dort begegnete ihm einer der früheren Grenzwächter und fragte: „Nasruddin, jetzt könnt Ihr es mir ja sagen. Was habt Ihr geschmuggelt, das wir nie gefunden haben?" Nasruddin lächelte und antwortete: „Esel!“


Siehst du, sagte der Weise, so sucht mancher nach Gott, und Gott ist vor seinen Augen.

 

 

Aus dem Magazin zum Kirchenjahr "Andere Zeiten"

Geschenkt

"Ein alter Mann sitzt in einem Bus. In seinem Arm hält er einen wundervollen Blumenstrauß.

 

Eine junge Frau kann ihren Blick nicht von der Blumenpracht lassen. Immer wieder schaut sie zu den bunten Blüten und lächelt versonnen.

 

Kurz vor der nächsten Haltestelle erhebt sich der Mann und geht zu der Frau. Er reicht ihr die Blumen und sagt: "Gefällt Ihnen der Strauß? Er ist eigentlich für meine Frau. Aber ich denke, sie hätte gern, dass Sie ihn bekommen. Ich gehe nun zu ihr und erzähle ihr, dass ich die Blumen Ihnen geschenkt habe."

 

Erstaunt nimmt die Frau den Strauß entgegen. Als der alte Mann aussteigt, sieht sie ihm nach.
Er verschwindet durch ein Tor, das zu einem kleinen Friedhof gehört.

 

 

Geschichte entnommen aus dem Heft "Andere Zeiten"

Was siehst du?

Der heilige Jakob war mit einem Schüler unterwegs in den Bergen.

Als es dämmerte, errichteten sie ihr Zelt und fielen müde in den Schlaf.
Vor dem Morgengrauen wachte Jakob auf und weckte seinen Schüler.

„Öffne deine Augen“, sagte er,“ und schau hinauf zum Himmel. Was siehst du?“ –

„Ich sehe Sterne, Vater“, antwortete der schlaftrunken. „Unendlich viele Sterne.“ –

„Und was sagt dir das?“, fragte Jakob.

Der Schüler dachte einen Augenblick nach. „Das Gott, der Herr, das große Weltall
mit all seinen Sternen geschaffen hat.
Ich schaue hinauf in den Himmel und fühle mich dankbar und demütig angesichts
dieser unendlichen Weiten.
Wie klein ist doch der Mensch, und wie wunderbar sind die Werke Gottes.“ –

 

„Ach, Junge!“, stöhnte Jakob. „Mir sagt es, dass jemand unser Zelt gestohlen hat!“

 

 

                                                       Geschichte entnommen aus dem Heft "Andere Zeiten"

Das ist eine Geschichte für alle die meinen: Was immer ich auch tue, es ist nie genug

Zu Anfang, als noch nichts war als unendliches Gewässer, wollte Gott die Erde erschaffen.

Deshalb sagte er zu seinem Engel: "Geh' und bring mir Sand vom Grunde des Meeres!"

 

Der Engel tauchte gehorsam in die Tiefe und holte den Sand vom Grunde des Meeres.

Aber die Gewalt des Wassers war so groß, dass sie ihm, als er emportauchte, seine Last aus den Händen spülte.

 

Er kehrte sogleich um und versuchte es ein zweites Mal.

 

Aber wieder rann ihm der Sand durch die Finger.

Und nicht anders erging es ihm beim dritten Versuch: Die Bedrängnis des Wassers war zu groß,

und seine Arme waren nicht stark genug, die Last emporzutragen.

 

Da kam der Engel traurig zu Gott und zeigte ihm seine leeren Hände:

Kein Sand, nur ein paar Körner unter seinen Fingernägeln.

 

Und Gott sprach: "Das genügt."

 

(aus dem Jüdischen)

Geschichte zum Nachdenken

Eine Erzählung aus dem Mittelalter berichtet von zwei Mönchen, die sich auf ihren Spaziergängen wieder und wieder über die Auferstehung der Toten unterhalten haben. Wie würde es bei Gott sein?

Sie haben sich alles genau ausgemalt. Manchmal dachten sie, sie sähen den Himmel bereits vor sich. Dann wieder hatten sie Zweifel. Was wäre, wenn ihre Bilder und Vorstellungen völlig falsch wären? Sie beschlossen darum eines Abends: Wer zuerst stirbt, soll in der Nacht nach seinem Tod dem anderen erscheinen und nur ein einziges Wort sagen: »Taliter: Es ist so« oder »Aliter: Es ist anders«.

Kurz darauf stirbt einer der beiden. In der Nacht erscheint er, wie abgemacht, seinem Freund. »Taliter?«, fragt der ihn. Er schüttelt den Kopf. »Aliter?«, fragt der Freund ängstlich.

Wieder schüttelt der andere den Kopf und sagt ganz leise mit einem feinen Lächeln: »Totaliter aliter: Es ist vollkommen anders«!

 

(Verfasser unbekannt)

Zwei

Schweigend saß der alte Indianer mit seinem Enkel am Lagerfeuer. Die Bäume standen wie dunkle Schatten, das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.

 

Der Alte sagte nach einer langen Weile: „Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend."

 

„Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?" fragte der Junge.

 

„Der, den ich füttere," antwortete der Alte.

 

 

(Verfasser unbekannt)

EINFACH

Auf einer Insel lebten drei fromme Männer.

Von nah und fern kamen die Menschen, um mit ihnen zusammen zu sein und zu beten.

 

Eines Tages besuchte sie auch der Bischof. Als sich sein Schiff der Insel näherte, erwarteten ihn am Strand drei ärmliche Gestalten.

"Es heißt", begann der Bischof, "dass ihr Gott schaut. Wie betet ihr zu ihm?"

Die drei sahen sich ratlos an. "Wir beten einfach: Wir sind drei, und du bist drei - steh uns bei!"

Der Bischof war bestürzt: "Nichts sonst? Kein Vaterunser? Keinen Rosenkranz? Keine Psalmen?"

 

So viel Unwissenheit konnte er nicht zulassen.

Deshalb fing er an, ihnen das Vaterunser Wort für Wort beizubringen.

Als die drei es nachsprechen konnten, verabschiedete sich der Bischof zufrieden.

 

Aber kaum befand sich sein Schiff wieder auf See, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen:

Hand in Hand eilten die drei über das Wasser auf ihn zu.

Atemlos riefen sie: "Verehrter Herr, wir haben es vergessen!

Wie geht es noch weiter nach "geheiligt werde dein Name"?"

Ergriffen warf sich der Bischof auf dem Schiff nieder und berührte mit seiner Stirn die Planken.

 

"Betet so weiter, wie ihr es immer getan habt! Gott hört euch!"

Erleichtert verbeugten sich die drei und gingen beruhigt über die Wellen zurück zu ihrer Insel.

 

nach einer Erzählung von Leo Tolstoi

Die Schiffbrüchige

Die einzige Überlebende eines Schiffbruches wurde an den Strand
einer kleinen, unbewohnten Insel gespült.
Sie betete inbrünstig zu Gott, sie aus dieser Lage zu befreien.
Jeden Tag untersuchte sie den Horizont, ob da nicht ein Schiff zu ihrer Rettung auftauchte.

Mit größter Mühe baute sie sich eine kleine Hütte aus Holzstücken,
die die Wellen an den Strand trieben. Ihre wenigen Habseligkeiten waren schnell
in der Hütte untergebracht und fieberhaft suchte sie weiter den Horizont ab.

Wenige Tage später – sie fand kaum noch essbare Früchte
und im Fischefangen hatte sie weder Erfolg noch Geschick –
fand sie, als sie zu ihrer bescheidenen Unterkunft zurückkehrte, diese in Flammen vor.
Eine schwarze Rauchsäule stieg empor. „Oh Gott! Warum tust du mir das an!“
rief sie voll Kummer und Verzweiflung.

Am nächsten Tag – sie hatte in einer Mulde im Sand geschlafen – weckte sie das Horn eines Schiffes,
das auf ihre Insel zufuhr. Es war gekommen, sie zu retten.

„Wie habt ihr mich gefunden?“ fragte die Schiffbrüchige.
„Wir haben dein Rauchsignal gesehen!“ war die Antwort.

 

(Verfasser unbekannt)

Richtungswechsel per Löffel

 

Ein Mann bittet Gott darum, die Hölle sehen zu dürfen.

Also führt Gott den Mann in einen großen Raum. Darin sitzen Menschen an einem langen Tisch, vor sich das herrlichste Essen. Verschiedenstes Fleisch, Kartoffeln, Nudeln, Pizza, Sauce und als Nachtisch Eis, Kuchen, Cremes und was man sich noch alles Leckeres vorstellen kann.
Und trotzdem sehen die Menschen hungrig, blass, mager und elend aus. Denn die Stiele ihrer Löffel sind so lang, dass sie die Löffel nicht zu ihrem Mund führen können.
„Das ist die Hölle“, sagt Gott zu dem Mann.
 

Darum bittet er nun, auch noch den Himmel sehen zu dürfen.

Gott führt den Mann daraufhin in einen zweiten Raum. Der sieht genauso aus wie der erste. Wieder steht da ein langer Tisch, wieder gibt es das köstlichste Essen und wieder sitzen drum herum Menschen mit genauso langen Löffeln in der Hand. Aber die Menschen in dem zweiten Raum sind alle gut genährt. Sie haben rosige Wangen, lächeln, scherzen miteinander und sind glücklich. Denn anstatt zu versuchen, selbst mit den langen Löffel zu essen, füttern sich die Menschen gegenseitig. Und Gott sagt zu dem Mann: „Das ist der Himmel!“

 

(mündlich überliefert)